Ich kaufe Dich nicht mehr!

Ich kaufe Dich nicht mehr!

in CULTURE & PEOPLE/FASHION by

Seit 20. März stand Deutschland  – mehr oder weniger – still. Und gleichzeitig nutzen einige Global (Fashion) Player und Handelsketten die Gelegenheit sofort Mietenstopps in der Coronakrise anzukündigen. Dass diese, u. a. auch große Modehersteller und Handelsketten wie H&M, Adidas, Douglas und Deichmann sofort ihre Mietzahlungen einstellten, finde ich empörend, unfair und rücksichtslos.

Rücksichtslos gegen alle die vielen kleinen Einzelhändler, Kosmetik- und Friseurläden, Cafes und Restaurant. Hier haben sich die meisten eben nicht getraut, sofort dreist Mietzahlungen einzustellen. Ganz im Gegenteil. Hier wurden die letzten Reseven mobilisiert um sicherheitshalber noch die Miete zu bezahlen.

#zusammenhalten – Solidarität und eine gerechte Zukunft

Ja, das Coronavirus breitet sich weiter weltweit aus und stellt Unternehmen – ob klein, mittelständisch oder Global Player – vor nie dagewesene Herausforderungen.  Allerdings mit den darauf folgenden Boykottaufrufen haben diese Global Player wohl nicht gerechnet. Hier hatte das eigene Profitdenken Vorrang und oberstes Ziel ist es sich erstmal selber zu schützen und möglichst den Schaden durch die ausbleiben Umsatzschäden so gut es geht auf andere abzuwälzen. Na toll! Auf der anderen Seite fordern genau diese Unternehmen, wir machen null Umsatz, während die Kosten weiterlaufen, das müssen wir jetzt „gemeinsam“ stemmen. Ja, wir sitzen alle gemeinsam in der Pandemie, aber jetzt braucht es Empathie, Verantwortung und vor allem Solidarität.

Ich habe keine Lust mehr auf Fast Fashion. Täglich landen immer noch eine Flut von Newslettern in meiner Mailbox. Kauf mich, bitte bitte kauf mich! Dabei habe ich zur Zeit noch stärker als zuvor das Bedürfnis nach Glaubwürdigkeit, Authentizität. Die massenhafte Verbreitung von Halb- und Unwahrheiten . Guten Geschichten

#umdenken – Festhalten und weitermachen oder loslassen und neu denken.

Die Krise zwingt auch viele zum Umdenken. Mehrwöchige Ladenschließungen, fast komplett ausgefallene Umsätze, Kurzarbeit, Home Office, schmelzende Rücklagen. Was nehmen wir in diesen Zeiten der Pandemie für uns wahr? Für viele hat das Ausbleiben von Umsätze Folgen und wird es auch nach dem Lockdown haben. Wie wird es der Gastronomie ergehen, was wird aus all den abgesagten Konzerten, Festivals und Bühnen dieser Welt. Überall trifft es Menschen. Ganz zu schweigen von der von der Coronakrise schwer getroffenen Tourismusbranche? Wir können die Krise aber auch als Chance sehen. Wir können als Gesellschaft jetzt umdenken und die Zukunft neu gestalten.

Eine aktuelle Accenture-Umfrage (April 2020) unter mehr als 3.000 Verbrauchern in 15 Ländern auf fünf Kontinenten hat ergeben, dass wir  bereits begonnen haben, unsere Kaufprioritäten zu verändern. Beispielsweise kaufte die Mehrheit insgesamt mehr Körperpflege- und Reinigungsprodukte sowie Konserven und frische Lebensmittel ein als noch vor zwei Wochen zuvor. Dafür kauften wir aber weniger Artikel aus den Bereichen Mode, Beauty und Unterhaltungselektronik ein. Das kann ich von mir aus auch bestätigen. Alleine das lästige Anstehen und Masken tragen sorgt bei mir dafür, dass ich keine Lust habe in stationären Geschäften einzukaufen.

Des weiteren deutete die Umfrageergebnisse von Accenture darauf, dass „viele der Veränderungen im Verbraucherverhalten wahrscheinlich noch lange nach der Pandemie anhalten werden. Darüber hinaus veranlasst die Krise die Verbraucher dazu, die Gesundheits- und Umweltauswirkungen ihrer Kaufentscheidungen kritischer zu betrachten“. Na das wäre doch mal ein Erfolg! 64% gaben an, dass sie sich mehr auf die Verringerung von Lebensmittelabfällen konzentrieren und dies wahrscheinlich auch nach dem Abflauen der Krise tun werden. 45 % gaben an, dass sie beim Einkaufen zudem nachhaltigere Entscheidungen treffen. Überraschend ist laut der Studie vor allem das das Ausmaß und die Geschwindigkeit, mit der sich Veränderungen, die wahrscheinlich Jahre gedauert hätten, in wenigen Wochen vollziehen. Gewinner der Krise ist allerdings das Online-Shopping. 32% der derzeitigen Käufe aller Produkte und Dienstleistungen von Verbrauchern werden laut der Studie notgedrungen online getätigt. Wobei auch hier der Konsumverzicht spürbar ist. Freiwillig oder unfreiwillig. 

#konsumverzicht – eine Chance für unsere Gesellschaft

„Achtsamerer Konsum bedeutet vermutlich auch in Zukunft weniger Konsum. „Einen großen Teil ihrer Kaufentscheidungen treffen Menschen aus Gewohnheit. Jetzt sind viele Gewohnheiten weggefallen.“ (Süddeutsche Zeitung) „Die Neuausrichtung der Einkaufsprioritäten, des persönlichen Lebensstils und der Arbeitspraktiken erfordert erhebliche Veränderungen im Einzelhandel und in der Wirtschaft“, so Jill Standish, Senior Managing Director Retail bei Accenture. Dann wäre doch jetzt die richtige Zeit Businessmodelle neu zu überdenken, besser zu denken? Denn die Studie von Accenture sagt auch, dass es sich hier voraussichtlich um eine langfristige Verlagerung handelt, unabhängig davon wie es ein „Nach der Krise“ weitergeht.

Konsumverweigerung  kann die Welt verändern, dass hat Katherine Plymley Anfang des 19. Jahrhunderts schon erfolgreich exerziert. Konsumkritik kann folglich die von uns als notwendig erachteten Veränderungen entscheidend mit voranzubringen. 

Konsumverweigerung  kann die Welt verändern. Katherine Plymley hat Anfang des 19. Jahrhunderts dazu beigetragen, dass in England die Sklaverei abgeschafft wurde. Durch den Verzicht auf Zucker.

Michael Zeuske, Geschichte der Sklaverei (2013)
Titelbild: Photo by Jonas Lee on Unsplash