Erinnern wir uns: Im November 1918 erhielten Frauen in Deutschland erstmals das aktive und passive Wahlrecht. Was verbinden Frauen hundert Jahre später mit diesem Erfolg?
Meine Tochter war zehn oder elf Jahre alt, als sie mich auf einer unserer Autofahrten fragte, ob unsere Welt auf einen guten oder schlechten Weg sei. Man bemerke, heute ist sie 22 Jahre alt, also schon eine Weile her, vor Trump und der neuen Feminismusbewegung oder gar #metoo Kampagnen. Ich konnte gar nicht so schnell antworten und stotterte ein bisschen vor mich hin um erstmal selbst über die Frage nachzudenken.
Ja und Nein war dann meine Antwort. Und ich erzählte ihr, dass wir Frauen erst seit dem 20. Jahrhundert überhaupt ein Wahlrecht haben, das uns nicht geschenkt wurde, sondern hart erkämpft war. Auch die weitere Entwicklung der Frauenrechte verlief schleppend: Seit 1958 erst dürfen Frauen ihr eigenes Bankkonto besitzen; seit 1977 dürfen Frauen, ohne die Zustimmung ihrer Väter oder ihrer Ehemänner, einem Beruf nachgehen und eigenes Geld verdienen. Heute ist das zum Glück kaum mehr vorstellbar. Von daher sind wir schon mal auf einen guten Weg, aber nicht gut genug! Übrigens Lichtenstein war das letzte europäische Land, dass das uneingeschränkte Frauenwahlrecht erst 1984 einführte.
Der Kampf für Frauenrechte ist noch nicht beendet
Gesellschaftlicher Wandel passiert langsam, und soziale Bewegungen haben in den letzten Jahrzehnten viele Verbesserungen bewirkt, aber das reicht nicht. Mehr als eine Milliarde Frauen weltweit haben keinen Zugang zu rechtlichem Schutz vor häuslicher, sexueller Gewalt. Das globale geschlechtsspezifische Lohngefälle beträgt 23 Prozent und erreicht im ländlichen Raum sogar bis zu 40 Prozent. Die unbezahlte Arbeit vieler Frauen bleibt immer noch ungeachtet. Die Repräsentation von Frauen in nationalen Parlamenten liegt im Durchschnitt bei weniger als einem Viertel und in den Chefetagen sogar darunter. Spätestens seit #MeToo wissen wir, dass Themen wie sexuelle Belästigung und Missbrauch am Arbeitsplatz und im öffentlichen und privaten Raum noch längst nicht von Tisch sind. Das alles macht mich wütend! Euch auch?
2018 ist der Weltfrauentag in Zeiten von „Me Too“-Bewegung und Kampagnen wie „Time’s up“ so beachtet wie selten zuvor.
Hinter der Idee des Weltfrauentages steht übrigens die Deutsche Clara Zetkin. 1910 ging die Soziologin in Kopenhagen auf die Straße, um für die Rechte der Frauen und gegen den Antifeminismus zu kämpfen. Ein Jahr später schlossen sich auch Frauen in Deutschland an und demonstrierten für den Anspruch auf Mitbestimmung in der Politik. Und in diesem Jahr feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht. Generationen haben dafür gekämpft. Der Widerstand seitens der Gegner der Frauenbewegungen war immens. Der Glaube an die Minderwertigkeit von Frauen hält sich in einigen Teilen unsere Welt immer noch hartnäckig. Frauen müssen gegen geschlechtsspezifische Barrieren kämpfen, von denen Männer nicht betroffen sind. In den vergangenen hundert Jahren hat sich schon viel getan, aber es bleibt auch noch so viel zu tun. Der Kampf ist noch nicht zu Ende. Kämpfen wir für Geschlechtergleichheit und faire Löhne, Selbstbestimmung, Solidarität und soziale Gerechtigkeit, besseren Arbeitsbedingungen für erwerbstätige und alleinerziehende Frauen, mehr Frauen in Führungspositionen, und und und. So vieles gilt es noch zu ändern, bis wir von wirklicher Gleichberechtigung sprechen können. Eine ganze Kultur muss sich hierzu ändern.
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