Letzte Woche habe ich die Gruppenausstellung „different lines“ in der Galerie mianki in Berlin-Schöneberg besucht. Wir bekamen eine wunderbare Einführung in die Ausstellung von dem Galeristen Andreas Herrmann und unserer Kunstexpertin Andrea Schraepler.
Silke Katharina Hahn, Jahrgang 1968, hat Architektur und Malerei studiert. In ihren Werken sucht sie die Auseinandersetzung mit Veränderung von Material durch Hitze. Ihr bevorzugtes Material: Heißkleber und Wachs. Im Mittelpunkt steht dabei die Farbe Schwarz. Durch Hitze verändert sich der Klebstoff, wie auch der „bearbeitete“ Raum und zeichnet dort Linien. Ein vielschichtiges Liniengeflecht entsteht, verschmilzt, wächst aus der Wand in den Raum. Plötzlich bekommt eine Heißkleberpistole ein völlig neue Dimension!
Silke Katharina Hahn |
Silke at sculpture network Drawing Symposium 2011 in Great Britain. © sculpture-network.org
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Die zweite Künstlerin der Ausstellung, die mich künstlerisch wie handwerklich schwer beeindruckt, ist Claudia Kallscheuer. Ihr zentrales künstlerisches Ausdrucksmittel ist das Sticken und Nähen. Geboren 1967 in Waiblingen, wuchs sie in Nord- und Südamerika auf. Nach einer Ausbildung zur Damenschneiderin studierte sie Modedesign an der AMD – Akademie für Mode in Hamburg. Anschließend studierte sie Malerei in Berlin. Zwischenzeitlich bildete sie sich als Multimedia-Newsdesignerin weiter.
Claudia Kallscheuer’s Wetterbericht |
Fäden auch mal nicht vernähen, einfach hängen lassen. Und nicht nur von Stoff herab, sondern auch von Holz oder von Teebeuteln oder von Safety-Cards einer Airline. Die Oberflächen, die Claudia Kallscheuer bestickt, sind außergewöhnlich. Noch außergewöhnlicher aber, dass es ihr weniger um die Ober- als um die Unterseite des bestickten Materials geht. Claudia Kallscheuer kehrt unteres zu oberst. Sie spielt mit innen und außen, verkehrt linke und rechte Seite, schafft Unordnung in der Ordnung. Fehler werden eingebaut, Fadenspannungen variiert, Überlagerungen und Verwicklungen im Nähprozess geduldet. Dadurch ermöglicht es der Künstlerin Kleinigkeiten im Wert hervorzuheben, Werte die wir meist nicht mehr beachten. Prozesshaft, wiederholend, verknüpft mit dem kalkulierten Chaos der hängenden Fäden. Für uns Textilfachkundige eine unbeschreibliche Präzision, die die Künstlerin in Wochen und Monate langer Arbeit mit der „Nähmaschine freihändig“ erstellt ( und nicht mit der Hand gestickt – das wäre vergleichsweise einfach). Man bedenke die geschriebenen Worte sind alle nur 1 cm hoch! Unbeschreiblich!
Der Wetterbericht von Berlin von ca. drei Monaten wurde hier Wort für Wort aufgestickt. |
Berlin’s weather forecast stitched on fabric |
Die Ausstellung „different lines“ läuft noch bis 13.4.2013 in der Galerie mianki in Berlin.
www.mianki.com
Fotos/ pictures © 2013 Circus magazine