„Jeppe Hein“ im Kunstmuseum Wolfsburg

in ART/CULTURE & PEOPLE by

Das Kunstmuseum Wolfsburg befindet sich in der Innenstadt von Wolfsburg und wurde 1994 eröffnet. Es zeigt moderne und zeitgenössische Kunst und wird getragen durch die Kunststiftung Volkswagen. Ab dem 25. Februar 2016 bereicherte die Kunsthalle Marcel Duchamp als sechste Kunstinstitution, neben dem Kunstmuseum, dem Kunstverein, der Städtischen Galerie, die Junge Kunst e.V. und das Kunstschaufenster am Hallenbad (das ist ja schon mal ne ganze Menge) die „Kunststadt“ Wolfsburg.

Das aber nur nebenbei. Der eigentliche Grund für den Besuch nach Wolfsburg war die Ausstellung von Jette Hein mit „This Way“.  Seine Ausstellung im Kunstmuseum bietet erstmals in Deutschland einen breiten Überblick über die Skulpturen, Installationen, Handlungsräume und Papierarbeiten von Jeppe Hein.

„Floorplan“ Ausstellungsplan von Jette Hein im Kunstmuseum Wolfsburg
Wo geht es lang? Rechts, links oder geradeaus?

Diese Entscheidung nimmt der dänische Künstler Jeppe Hein (*1974) dem Besucher seiner Ausstellung nicht ab. Seine Werke bewegen sich zwischen Minimalismus, Kinetik und Konzeptkunst und sozialer Plastik. Klare geometrische Formen wie Kreis, Kugel, Quadrat, Würfel, Rechteck oder Spirale sind seit den späten neunziger Jahren sein Vokabular; Spiegel, Stahl, Chrom, Glühbirnen, Neonlicht oder Elemente wie Wasser, Eis und Feuer seine Materialien.

In seiner bisher größten Ausstellung stellt er sich bewusst der gängigen Ausstellungspraxis entgegen, indem er die Halle des Kunstmuseums Wolfsburg in ein Labyrinth aus großen, kleinen, drei-, vier- oder vieleckigen Räumen, engen und breiten Wegen, Sackgassen, Kreuzungen und Plätzen verwandelt. Jeder Besucher hat die Freiheit, sich seinen eigenen, individuellen Weg durch die Ausstellung zu suchen. Für Jeppe Hein steht das Objekt jedoch nicht nur für sich selbst, es geht ihm vielmehr um die Idee eines erlebbaren Kunstwerkes. Der Rezipient soll seine Arbeiten nicht nur passiv betrachten, sondern aktiv erspüren, sie sogar aktivieren.

Täglich legen wir bewusst und unbewusst zahlreiche Wege zurück – nicht nur kleinere und größere Distanzen, sondern vor allem auch innere Wege. Oftmals verfallen wir dabei in eine Art Automatismus, verlieren den Kontakt zum Hier und Jetzt und zu uns selbst. This Way hält keine Antworten bereit, sondern setzt sich zum Ziel, in unserer chronisch überforderten Gesellschaft auf der Suche nach einer Work-Life-Balance Raum für Resonanzerfahrungen zu bieten. Ganz in diesem Sinne transportieren die Arbeiten Jeppe Heins Schwingungen, sei dies im wörtlichen Sinne, indem sie Töne oder Frequenzen erzeugen, oder im übertragenen Sinne als Empathieerfahrung.

 

Jette Hein in seiner Ausstellung THIS WAY im Kunstmuseum Wolfsburg

 

This Way thematisiert äußere wie innere Wege und ist vom persönlichen Weg Jeppe Heins geprägt. 3253 Aquarelle säumen das Ausstellungslabyrinth als berührend ehrliche, innere Landkarte des Künstlers. Meditation, Aufmerksamkeits- und Atemübungen sowie Yoga prägen heute seinen Alltag und haben Einfluss auf seine Kunst genommen. Wer die minimalistischen Werke Jeppe Heins kennt, den wird seine neue, spirituelle Seite überraschen. Wichtiger als die inhaltliche oder intellektuelle Auseinandersetzung ist ihm jedoch die intuitive, physische und emotionale Wahrnehmung seiner Werke sowie ihre soziale Funktion. Es geht ihm um den Dialog zwischen Werk, Betrachter und Umgebung. Im digitalen Zeitalter setzt Jeppe Hein auf analoge Kommunikationserfahrungen.

Diese unbeschwert-experimentelle Annäherungsmöglichkeit an seine Kunst steht in enger Verbindung zum Kern seines Werkes: der sozialen Funktion. Jeppe Hein richtet sich an Menschen aller Alters- und Bildungsstufen sowie jeglicher Herkunft. Er fördert mit seinen Arbeiten nicht nur den Dialog zwischen Werk, Betrachter und Umgebung, sondern kreiert Situationen, in denen Menschen aufeinandertreffen, erzeugt spielerisch Schwingungen zwischen ihnen und begegnet so dem Wunsch nach sozialem Widerhall, der uns bei unseren Wegfindungsprozessen permanent begleitet. Im digitalen Zeitalter setzt Jeppe Hein auf analoge Kommunikationserfahrunge.

„Jeder Mensch ist sein eigener Kartograf. Würde man all die Wege, die man sein Leben lang zurücklegt, aufzeichnen, ergäbe sich eine ganz persönliche Landkarte, eine Lebenskarte.“ Jette Hein

 

Dabei gewährt Jeppe Hein sehr persönliche Einblicke, lässt den Besucher an seiner eigenen Wegsuche teilhaben. Seit seiner Burnout-Erkrankung im Dezember 2009 setzt er sich mit Kernfragen unserer Existenz auseinander, die sich in seinem schonungslos ehrlichen und berührenden Aquarell-Tagebuch spiegeln, das Hunderte von Blättern umfasst und die Ausstellung konzeptuell und im wörtlichen Sinne rahmt. Mit diesen Arbeiten beginnen sich neue künstlerische und spirituelle Komponenten in seinem Werk abzuzeichnen. Sein Materialspektrum erweitert sich. Klang, Resonanz, Stille, Duft oder Atem prägen neue Arbeiten und lassen die Auseinandersetzung mit fernöstlichen Philosophien und Praktiken wie dem Buddhismus, Yoga und der Meditation spürbar werden. Seine Arbeiten sensibilisieren den Besucher für den Moment und holen ihn zurück ins Hier und Jetzt.

Jeppe Hein fordert in der Rezeption seiner Arbeiten jedoch keine Spiritualität ein. Sie bieten allen Besuchern einen gleichen Zugang: den unmittelbaren. Wichtiger als die inhaltliche oder intellektuelle Auseinandersetzung ist ihm die intuitive, physische und emotionale Wahrnehmung seiner Werke. „This Way“ ist durch die Verbindung von neuen und ortsspezifischen Arbeiten mit älteren Werken als ein abwechslungsreiches Erfahrungsfeld konzipiert: laut und leise, subtil und offensiv, schnell und langsam, spirituell und materiell. Diese Stimmungs-, Tempo- und Energiewechsel fordern den Kopf, den Körper und die Sinne heraus. Im Moment zu sein, ist das, worum es Jeppe Hein geht:

„I am right here right now“.

Jeppe Hein. This Way: Die Ausstellung  geht noch bis zum 13.03.2016. Sie wird von der Volkswagen Financial Services AG unterstützt.

www.kunstmuseum-wolfsburg.de