Künstlerin Barbara Chase-Riboud

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Barbara Chase-Riboud ist eine Künstlerin von beeindruckender Vielseitigkeit. Bereits in den 1950er Jahren begann sie ihre Karriere als Bildhauerin und erarbeitete sich eine unverwechselbare künstlerische Handschrift.

Sie studierte an der Tyler School of Art der Temple University und vertiefte sich in die Disziplinen Bildhauerei, Malerei und Grafik. 1956 erhielt sie ein renommiertes John-Hay-Whitney-Stipendium, das ihr einen einjährigen Aufenthalt an der American Academy in Rom ermöglichte. Dort experimentierte sie mit Bronzegüssen und entwickelte die Technik des direkten Wachsgusses – der Beginn einer lebenslangen Leidenschaft für dieses Material.

Ab 1958 arbeitete Chase-Riboud intensiv mit Bronze und nutzte das verlorene Wachsausschmelzverfahren. Ihre erste öffentliche Auftragsarbeit folgte bereits 1960: ein Aluminiumbrunnen im Wheaton Plaza in Maryland, der abstrakte Formen mit Licht- und Klangeffekten kombinierte. Diese frühen Werke legten den Grundstein für ihren unverwechselbaren Stil, den sie im Laufe der Jahre immer weiter verfeinerte.

In den späten 1960er Jahren schuf sie ihre ikonischen Skulpturen, die harte Materialien wie Bronze mit weichen, fließenden Textilien wie Seide und Wolle verbanden. Sie löste sich vom traditionellen Sockel und ersetzte ihn durch textile Strukturen, die ihre Werke fast schwebend erscheinen lassen. Diese avantgardistische Technik verlieh ihren Skulpturen eine einzigartige Dynamik und Sinnlichkeit.

Barbara Chase-Riboud; Malcom X #16, 2016
Bronze with red patina, silk, wool, and polished cotto and synthetic fibers with steel support, (233.7 x 81.3 x 76.2 cm). Yale University Art
Gallery, Janet and Simeon Braguin Fund, © Barbara Chase-Riboud, Photography by Alise O’Brien Photography

Ihre Kunst war stets politisch aufgeladen und griff Themen wie die Bürgerrechtsbewegung und die afrikanische Diaspora auf. Ende der 1960er Jahre schuf sie ihre erste Statue zu Malcolm X, die später zu einer ganzen Serie heranwuchs. Als schwarze Künstlerin musste sie sich in der oft von weißen Männern dominierten Kunstwelt behaupten, was ihren Beitrag zur feministischen und afroamerikanischen Kunstbewegung umso bedeutsamer macht.

Ihr Werk wurde international ausgestellt, unter anderem 1974 in einer Einzelausstellung im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris und 1977 auf der documenta 6 in Kassel. Auch im Metropolitan Museum of Art in New York wurden ihre Zeichnungen 1999 präsentiert. Diese Anerkennung in Europa, insbesondere in Paris, wo sie seit 1961 lebt und arbeitet, unterstreicht ihre anhaltende Relevanz in der Kunstszene.

Zu ihren jüngeren Ausstellungen zählen „Barbara Chase-Riboud: Avatars“ in der Fondation d’entreprise Hermès in Brüssel (2020), „Alberto Giacometti / Barbara Chase-Riboud: Standing Women of Venice – Standing Black Woman of Venice“ im Institut Giacometti, Paris (2021) und „Barbara Chase-Riboud: Infinite Folds“ in den Serpentine Galleries in London (2022–2023).

Barbara Chase-Riboud, Mao’s Organ, 2007 polished bronze and red silk cord, © Michael Rosenfeld Gallery, LLC NY, © Barbara Chase-Riboud

Ein absolutes Highlight erwartet Kunstliebhaber:innen nun im Herbst 2024: Nicht weniger als acht Pariser Museen widmen Chase-Riboud eine großangelegte Retrospektive. Vom 17. Oktober 2024 bis zum 5. Januar 2025 lädt das Palais de Tokyo zur Ausstellung „Quand un nœud est délié, un dieu est libéré“ (Wenn ein Knoten gelöst wird, wird ein Gott befreit). Dieses Projekt ist Teil einer außergewöhnlichen Zusammenarbeit mit renommierten Institutionen wie dem Centre Pompidou, dem Louvre, dem Musée d’Orsay, dem Musée Guimet, dem Musée du Quai Branly – Jacques Chirac, dem Palais de la Porte Dorée sowie der Cité de la Musique und der Pariser Philharmonie. Ein besonderer Hörraum widmet sich ihren literarischen Werken und ergänzt die Schau um eine immersive Dimension, die die künstlerische und intellektuelle Bandbreite Chase-Ribouds erfahrbar macht.

Neben ihrer Bildhauerei hat sie sich als Autorin einen Namen gemacht und ihre künstlerische Praxis um eine literarische Perspektive erweitert. Ihr Werk war seiner Zeit voraus und ebnete den Weg für eine Kunstwelt, die diverser, inklusiver und politisch reflektierter ist. Mit ihrem unermüdlichen Engagement für die Themen Rasse, Geschlecht und gesellschaftlichen Wandel hinterlässt Barbara Chase-Riboud ein beeindruckendes Vermächtnis, das heute aktueller ist denn je.