„Mir hat keiner geholfen, darum helfe ich Dir auch nicht.“ Puh, das war vielleicht eine kollegiale Ansage. Obwohl wir eigentlich zusammenhalten sollten, kommt es doch immer wieder vor, dass wir Frauen uns gegenseitig das Leben schwer machen. Warum?
Warum tun wir Frauen uns so schwer uns beruflich gegenseitig zu unterstützen? Privat funktioniert das Netzwerken meistens ja ganz gut, aber beruflich? Wieso ist das so? Das frage ich mich jedes Mal, wenn ich wieder mit einer solchen Situation konfrontiert bin.
Henry Markovits, Professor der Psychologie an der Université du Québec à Montréal veröffentliche 2017 eine Studie zum Kooperationsverhalten am Arbeitsplatz, die u.a. auch das männliche und weibliche Verhalten hier untersuchte. Die Studie besagt: “High influence males share more than high influence females with same-sex partners of all levels of competence.” Frauen mit hohem beruflichem Status sind demnach weniger bereit, in die Beziehungen zu ihren rangniederen Kolleginnen zu investieren als Männer. Während die Männer im Rahmen der Studie großzügig Lob an andere Männer verteilten, neigten Frauen dazu, Lob eher für sich zu behalten.
Offenbar kommt Frau besser mit Männern als Konkurrenz klar als mit Frauen. Warum?
Der niederländische Sozialpsychologe Abraham P. Buunk (Applying Social Psychology, 2013) beschreibt in seiner Studie „Sexueller Wettkampf bei der Arbeit“ die geschlechtlichen Unterschiede von Neid und Missgunst am Arbeitsplatz. Wie sehr sexuelle Konkurrenz, Frauen im Gegensatz zu Männern, im Job beeinflusst. Er begründet die unterschiedliche Handhabung kompetitiver Situationen bei Männern und Frauen mit deren unterschiedlicher Art zu denken: Männern gehe es insbesondere um ihren Status und ihre Position im Unternehmen, Frauen mehr um soziale Beziehungen und ihre Vernetzung. Da Frauen auf Solidarität untereinander „getrimmt“ seien ist für sie Rivalität mehr eine persönliche statt sachliche Angelegenheit.
Warum kämpfen Frauen gegen Frauen, statt sich gegenseitig zu unterstützen?
Woher das kommt? Aus der Kindheit. Dass Männer mit Wettkampf gut zurechtkommen und persönlichen Gewinn daraus ziehen, während Frauen solchen Situationen verhalten gegenüberstehen, führen Forschergruppen auf die unterschiedliche Sozialisierung von Männern und Frauen im Kindesalter zurück. Frauen haben in ihrer Entwicklung nicht gelernt, mit Konkurrenzsituationen umzugehen und Konkurrenz nicht persönlich zu nehmen, sondern wurden dazu erzogen, sich gegenseitig zu unterstützen, zu helfen und „lieb zu sein“. Für Konkurrenzkämpfe werden sie in der Regel gemaßregelt und sanktioniert beschreibt die Autorin und Coach Antje Heimsoeth die Ursachen der beruflichen Stutenbissigkeit unter Frauen: Unsere Gesellschaft verlangt nach empathischen, umsichtigen Mädchen und Frauen, die anderen helfen, statt sie übertrumpfen zu wollen. Ein offener Kampf unter Frauen gilt als würdelos und peinlich, er ist sozusagen ein gesellschaftlicher Tabubruch. Damit fehlt uns Frauen jedoch der geübte Umgang mit Konkurrenzsituationen. Aus mangelnder Souveränität flüchten wir uns deshalb in unterschwellige Machtspielereien, die sich u.a. in Lästern, Sticheleien, Aussitzen oder Missachtung zeigen. Die Formen der versteckten Stutenbissigkeit sind so vielfältig wie die Akteurinnen selbst. Nur das Ergebnis ist gleich: wir blockieren uns selbst und andere.
Das Krebskorb Prinzip: Jeder Krebs, der es in einem Korb schafft hochzuklettern, wird von den anderen wieder zurückgezogen. Alle haben im selben „Boot“ zu sitzen – und dort zu bleiben, so der Kodex. Nicht beachten dessen wird nicht akzeptiert.
Männer gehen mit Konkurrenzsituationen ganz anders um. Sie sind Kämpfe und Rivalitäten von klein auf gewohnt. Sie kennen Konkurrenz und Niederlagen. Sie nehmen Konkurrenz nicht persönlich und verbünden sich nicht gegen andere Männer, sondern sehen sie als Anerkennung. Männer übertrumpfen sich durch ihre Leistung. Macht wird durch Erfolge markiert und das ganz offensiv. Das belegt auch eine Studie der Aalto-Universität Helsinki: Männer erleben im Gegensatz zu Frauen Wettbewerbssituationen emotional positiver. Frauen fühlten sich dagegen in Konkurrenzsituationen unwohl, bedroht, ängstlich oder neidisch. Sie nehmen den direkten Wettkampf nicht als bereichernd wahr.
Der „Bridget-Jones-Effekt“. Hebt sich eine Frau irgendwie aus einer Gruppe hervor, wird ihr die Zugehörigkeit zu der Frauen-Gruppe verwehrt.
Frauen hatten Jahrhunderte, ja Jahrtausende lang, nicht die gleichen Rechte wie Männer. Im Mai 1957 verabschiedete der Deutsche Bundestag, nach mühsamen Ringen, das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts. Am 1. Juli 1958 trat es in Kraft. Laut Artikel 3 des Grundgesetzes sind Männer und Frauen seither gleichberechtigt. Sind sie das heute wirklich – beruflich wie privat?
Bilder des Unterbewussten.
Erst vor etwa 55 Jahren wurde es Frauen in Westdeutschland gestattet, ein eigenes Bankkonto zu eröffnen. Seit rund 40 Jahren dürfen sie ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns oder Vaters arbeiten oder einen Führerschein machen – ein Wimpernschlag im Vergleich zu vorherigen Jahrhunderten. Bis heute arbeiten in unseren Genen noch die Bilder des Unterbewussten. „Dass Frauen dazu in der Lage sind, auch unabhängig vom Mann an Ressourcen zu gelangen, ist zeithistorisch eine sehr neue Entwicklung, die sich noch gar nicht in unseren Genen abgebildet haben kann“, kommentiert es die Psychologin und Autorin Felicitas Heyne (Glücksfitness, 2012). Tatsache ist doch, dass auch heute Männer und Frauen immer noch nicht gleichberechtigt sind. Was aber sollen wir tun, wenn gesellschaftliche Veränderungen sich so quälend langsam manifestieren?
Unisex-Toilette, weibliche Bauarbeiter und Väter in Teilzeit: Das Vorzeigeland für Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau ist Schweden.
Mehr Gleichberechtigung muss früh beginnen. Es sollte schon früh in der Pädagogik angesetzt werden. Mädchen sollten nicht sofort sanktioniert und gemaßregelt werden für Konkurrenzkämpfe, sondern sollten sich wie Jungen entfalten können. Was sanktioniert werden sollte, ist intrigantes Verhalten. In den skandinavischen Länder (vor allem Finnland und Schweden) hat die Pädagogik das Thema schon länger erkannt und im Bildungssystem umgesetzt. In Schweden nennt sich das geschlechtssensiblen Pädagogik oder auch Genderpädagogik. Trotzdem kann man auch in Schweden noch nicht von perfekter Gleichberechtigung sprechen. Zum Beispiel bei „Gender Pay Gap“: Schwedische Männer verdienen im Schnitt immer noch fast 15 Prozent mehr als Frauen.
Langsam findet ein Umdenken bei den unter 35-Jährigen statt.
Gehört Millennial-Frauen die Zukunft? Sie sind qualifiziert, kommunikativ und aufstiegsbereit. Gleichberechtigung, die sie bei ihren beruflichen Zielen unterstützen würde, vermisst man hingegen häufig, so steht’s in den Studien. Also alles nur „gefühlter Gleichberechtigung“?
Eine Studie von PWC Global zu „Next Generation Diversity“ ergab, 82 Prozent der jungen Frauen berücksichtigen gelebte Gleichberechtigung und Diversity, wenn sie ihren Arbeitgeber wählen. Eine Mehrheit von 51 Prozent der befragten Frauen ist sich sicher, die Fähigkeiten dafür zu haben, um in die höchsten Unternehmenspositionen aufsteigen zu können. 55 Prozent von ihnen sagen aber auch, dass zwar im Unternehmen viel über Vielfalt geredet wird, berufliche Chancen von Frauen und Männern im Berufsalltag aber noch nicht gleich sind.
Also liebe Frauen, das kann doch nicht sein und schon garnicht so bleiben. Wäre es nicht angebrachter, dass wir Frauen in Zukunft noch mehr zusammenhalten, uns gegenseitig unter die Arme greifen und uns auf unserem beruflichen Wegen gegenseitig auf die Sprünge helfen und unterstützen. Wir sind schon auf dem richtigen Weg, also machen wir es uns nicht unnötig schwerer.