Zwischen all den schnellen Moden, Trends und Meinungen schimmert sie ruhig und zeitlos hervor. In kurzen Momenten nur taucht sie in einer flüchtigen Kombination aus Eleganz, Anmut und Bewegung auf. Haltung, Attitude oder Allure ist unfassbar, unbeschreiblich und unerreichbar im ewigen Rauschen des Zeitgeistes. Und doch ist sie die Essenz, die tief aus dem Innersten strahlt. Sie oszilliert zwischen Coolness und Natürlichkeit, fasziniert zwischen Inszenierung und Authentizität. Je mehr sie selbst jedoch zum Thema wird und in den Fokus rückt, umso stärker verflüchtigt sie sich. Will man sie fassen und erklären, löst sie sich förmlich auf. Wie lässt sich nun aber A llure in ihrem fragilen, immateriellen Charakter fotografisch festhalten? Diesem Paradox nehmen sich Fotografen immer wieder neu an – mit dem Ziel, das ephemere Phänomen mal spontan, mal arrangiert visuell zu bannen.
„Allure ist etwas, das existiert. Es hält einen fest. Ob ein intensiver oder flüchtiger Blick auf der Straße oder ein Gesicht in der Menge – man wird festgehalten.“ Diana Vreeland, Modejournalistin
Ob Modebild, Street Photography, Reportage oder konzeptuelle Ansätze – der jeweilige Werkkontext der einzelnen Fotos ist in dieser Zusammenstellung der Collection Susanne von Meiss ohne Bedeutung. Vielmehr vereint alle Bilder die Abwesenheit des direkten Blicks der Porträtierten in die Kamera und das feine Spiel mit dem Verborgenen und Geheimnisvollen – jenseits von Geschlecht oder Gender. So liegt der Fokus auf Ausschnitten einzelner Körperteile und Accessoires sowie auf Silhouetten, Bewegung oder Verschleierung. Die Einzelbilder erzählen keine eindeutigen Geschichten, sie enthalten kein direktes Narrativ. Sie sind facettenreiche Projektionsfolie für den Betrachter und seine eigene Interpretation.
Die Collection Susanne von Meiss spannt einen repräsentativen Bogen über alle Genres und Stile der Fotografiegeschichte hinweg – von den 1920er Jahren bis zur Gegenwart. Sie umfasst die Werke international renommierter Fotografen, jedoch bewusst zumeist nicht deren ikonische Bilder, sondern die unbekannten Klassiker. Die persönliche Auswahl reicht von Diane Arbus, Richard Avedon, Rene Burri und Henri Cartier-Bresson über Horst P. Horst, Irving Penn, Paolo Roversi und August Sander bis zu zeitgenössischen Künstlern wie Tracey Emin, Nan Goldin, Daido Moriyama, Richard Prince und Juergen Teller. Die Gruppenausstellung ist thematisch in die drei Kapitel „Pose“, „Experiment“ sowie „Inszenierung des Situativen“ unterteilt. Die Fotografien dienen als Ausgangspunkt für eine kunstgeschichtliche Analyse und Betrachtung von innerer Haltung innerhalb des Mediums Fotografie.
Die Sammlung wird bei C/O Berlin erstmals öffentlich präsentiert. Die Ausstellung umfasst ca. 250 Fotografien – darunter viele Unikate und Vintageprints sowie Bilder, die speziell für die Collection Susanne von Meiss produziert wurden. Sie wurde von Felix Hoffmann und Birgit Filzmaier kuratiert. Zur Ausstellung erscheint eine Publikation im Kehrer Verlag.
Zwei Vintage-Fotografien von Richard Avedon aus den 1950er Jahren gaben die Initialzündung für die Collection Susanne von Meiss. Seit über 25 Jahren sammelt die Schweizer Journalistin, Publizistin und Unternehmerin Fotografien mit dem speziellen Fokus auf „Allure“ – eine persönliche Zusammenstellung über einzelne Genres, Stile oder Künstler hinaus. Die private Sammlung umfasst zur Zeit ca. 400 Werke von Japan bis Südamerika. Die Kunsthistorikerin Birgit Filzmaier betreut die Collection Susanne von Meiss kuratorisch.
Fotografien aus der Collection Susanne von Meiss
28. Mai 2016 – 4. Sep 2016
C|O Berlin
Am 25.8.2016 lud die C/O Berlin anlässlich der Ausstellung abends zu einer Diskussionsrunde ein: Blickwechsel – Gender in Mode und Modefotografie. Mit dabei waren Prof. Dr. Gertrud Lehnert von der Universität Potsdam, die Designerin Esther Perbandt, der Fotograf Christoph Neumann und die Designerin und Publizistin Antje Osterburg.
Ein Hemd, das von den Schultern rutscht und den sanften Schwung eines Nackens preisgibt, fließende Seide, die mit ihrem Schimmer die Haut darunter erahnen lässt oder eine Schnürung, die ihre Spuren tief in die Haut hineindrückt – im Zusammenspiel von Körper und Kleid inszeniert sich Begehren im fotografischen Auge. Fashion Photography inszeniert weit mehr als das Kleid. Sie schafft die Bilder, die schillernd, seltsam schön, manchmal verstörend und doch verheißungsvoll Mode sichtbar machen, über den Umweg einer idealisierten Schönheit geht die Modefotografie seit jeher mit der Darstellung von Körperlichkeit um, und mit dieser rücken das Geschlecht und auch das Begehren in den Blick der Betrachtenden.
Was jedoch geschieht, wenn Gender oszillieren, wenn die visuelle Präsenz von Geschlecht sich Festschreibungen entzieht? Wie inszeniert sich Begehren im fotografischen Blick? Wie zeigt sich der Körper in den sexuell aufgeladenen, zeitgenössischen Modebildern? Welche Beziehung geht er in der modischen Inszenierung zu den Kleidern ein? Die Modetheoretikerin und Publizistin Prof. Dr. Gertrud Lehnert von der Universität Potsdam, die Berliner Modedesignerin und Gründerin Esther Perbandt sowie der Fotograf Christoph Neumann fragen nach der Inszenierung von Gender und Geschlecht in modischen Bildern und untersuchen, was geschieht, wenn Wahrnehmungsmuster gebrochen oder unkenntlich gemacht werden. Durch das Gespräch führte die Designerin und Publizistin Antje Osterburg.
Die Ausstellung Allure [frz. Stil, Eleganz] mit Bildern aus der Collection Susanne von Meiss spannt einen repräsentativen Bogen über alle Genres und Stile der Fotografiegeschichte hinweg – von den 1920er Jahren bis zur Gegenwart. Die persönliche Auswahl reicht von Diane Arbus, Richard Avedon, René Burri und Henri Cartier-Bresson über Horst P. Horst, Irving Penn, Paolo Roversi, Helmut Newton und August Sander bis zu zeitgenössischen Künstlern wie Tracey Emin, Nan Goldin, Daido Moriyama, Richard Prince und Juergen Teller.